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Essstörungen bei Frauen

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Wie lange es Essstörungen bei Frauen schon gibt, lässt sich nicht klar abgrenzen. Die Vermutung liegt nahe, dass der Wandel der Schönheitsideale dabei eine entscheidende Rolle spielte. In Zeiten wo es nicht wie heute in vielen Teilen der Erde ein Überangebot an Nahrungsmitteln gibt, galten gut genährte Frauen als attraktiv. Auch die Abbildungen der griechischen Schönheitsgöttin Aphrodite zeigen eine Frau mit vollen Brüsten und gerundetem Po. Die 1938 geborene bekannte britische Historikerin Olsen Hazel Hufton, die sich auf die Geschichte der Neuzeit spezialisiert hat, berichtet von „heiligen Frauen“, die angeblich nur von Hostien lebten und anscheinend schon damals an Magersucht litten.

Erstmals unter dem Namen „Anorexie hysterica“ beschrieben wurde die Erkrankung im Jahr 1689. Doch es sollte bis in das 19. Jahrhundert dauern, bis Anorexie bei der breiten Masse von Medizinern bekannt wurde. Einer der Hausärzte von Königin Victoria, Sir William Gull, veröffentlichte 1873 eine vielbeachtete Dokumentation mit Fallbeispielen. Im deutschen Sprachraum gilt Hilde Bruch als eine der frühen Experten für Essstörungen. Ihr Buch „Der Goldene Käfig“ war eines der ersten Werke, das sich an Betroffene und Angehörige und nicht an das Fachpublikum richtete. Weniger gut dokumentiert ist die Geschichte anderer Essstörungen wie Bulimie und Adipositas.

Zahlen und Fakten zu Essstörungen

Essstörungen zählen zu den am häufigsten diagnostizierten psychischen Erkrankungen in Deutschland. Ungefähr 5 Millionen Deutsche sind davon betroffen. Von 1000 Menschen leiden ungefähr 30 bis 50 an einer Essstörung. Erschreckend ist, dass es bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren mit 20 Prozent besonders viele sind. Zwischen 12 und 35 Jahren zeigen 0,3 bis 0,6 Prozent der Frauen Symptome der Magersucht. Pro 100.000 Einwohner erkranken bis zu 15 neu an Magersucht. 0,5 bis 1,2 Prozent der Frauen von 12 bis 35 erbrechen während Ihres Lebens zur Gewichtskontrolle. Die Dunkelziffer dürfte bei Bulimie höher liegen, weil die Symptomatik auf den ersten Blick nicht so augenscheinlich ist wie bei Anorexie. Erschreckend ist die Tatsache, dass sich rund die Hälfte aller 15-jährigen Mädchen als zu dick empfindet und bereits Diäterfahrungen gemacht haben.

Ursache für Essstörungen

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Für die Entwicklung von Essstörungen kann nur in den seltensten Fällen ein einzelner Faktor als Ursache ausfindig gemacht werden. Verschiedene Umstände begünstigen die Entstehung. Oft spielen die Medien eine Rolle, die durch Berichte über Magermodells ein falsches Signal setzen. Jugendliche orientieren sich während der sensiblen Phase der Pubertät oft an Schauspielern und anderen Stars, die stets perfekt gestylt über die Leinwände flimmern. Auch bei Gleichaltrigen spielen die Figur und das Aussehen schon in jungen Jahren eine wichtige Rolle. Nicht selten waren Mädchen, die später an Essstörungen litten, Mobbingopfer und wurden wegen ihres Erscheinungsbilds gehänselt.

Im familiären Umfeld begünstigt die permanente Unterdrückung von Gefühlen die Entstehung von Essstörungen. Werden Konflikte nicht offen ausgetragen, drücken manche Teenager ihre Emotionen durch Essensverweigerung oder übertriebene Nahrungsaufnahme aus. Fühlen sich Teenager während des natürlichen Ablöseprozesses von den Eltern unterdrückt oder werden sie rigoros kontrolliert, kann es ebenso zu einer Essstörung kommen. Viele von Essstörungen Betroffene haben einen sehr hohen Leistungsanspruch an sich selbst. Da sie sich selbst wenig Wertschätzung entgegenbringen, definieren sie sich zum Teil über ihre Figur. Manchmal zeigten sich schon im Säuglings- und Kleinkindalter Probleme bei der Fütterung. Auch ein ausgeprägtes Kontrollbedürfnis haben viele Essgestörte gemeinsam. Bei Bulimie und Binge Eating dient das Essen oft als Mittel zur Stressbewältigung.

Die wesentlichen Merkmale von Essstörungen

Bei Magersucht werden unterschiedliche Kriterien zur Diagnose herangezogen. Eines davon ist der BMI, also das Verhältnis zwischen Körpergröße und Gewicht. Bei einem Wert von unter 17,5 (oder einem Gewichtsverlust von 15 Prozent bei vorherigem Normalgewicht) sprechen Experten von Magersucht, wenn auch andere Faktoren vorliegen. Dazu zählen die penible Kontrolle der Nahrungsaufnahme, die Einteilung in „gute“ und „böse“ Nahrungsmittel sowie ein gesteigerter Bewegungsdrang um zusätzlich Kalorien zu verbrennen. Oft weigern sich Betroffene Speisen zu sich zu nehmen, die sie nicht selbst zubereitet haben. Meistens essen sie fast immer dasselbe und zerkleinern Lebensmittel in kleine Stücke. Auch das Hinauszögern von Mahlzeiten, ein Kontrollwahn und verschiedene Zwänge sind zu beobachten.

Bei einer Bulimie kommt es zu unkontrollierbaren Heißhungerattacken. In den Anfällen verschlingen Erkrankte oft genau jene Lebensmittel, die sie sich sonst verbieten: Kuchen, Eis und andere zucker- und fetthaltige Speisen werden in oft kurzer Zeit gegessen. Danach kommt es zu selbst herbeigeführtem Erbrechen. Bei einer Binge-Eating-Störung stopfen Betroffene ebenfalls Unmengen an Lebensmittel in sich hinein, jedoch ohne danach zu erbrechen. Bis zu 10.000 Kalorien wandern bei einem Essanfall in den Magen.

Therapie bei Essstörungen

Da Essstörungen mitunter lebensbedrohlich sein können, ist rasches Handeln gefragt. Die Therapiechancen stehen höher, wenn schon am Anfang professionelle Hilfe gesucht wird. Eltern fühlen sich zunächst oft ohnmächtig, wenn die Tochter auf einmal nur mehr ganz wenig isst oder beginnt wahllos Nahrung in sich hineinzuschlingen. Das Zusammenleben mit einem essgestörten Kind ist eine große Herausforderung, die ganze Familie steht unter immensem Leidensdruck. Doch diesem mit rigoroser Kontrolle zu begegnen, ist genau der falsche Weg. Am besten holt man sich so früh wie möglich Rat bei kompetenten Therapeuten oder besucht eine Angehörigengruppe. Im Austausch mit ebenfalls betroffenen Familien können Eltern all ihre Befürchtungen äußern. Dass diese nicht übertrieben sind, zeigt die Geschichte: Immerhin verstarben im Jahr 2017 in Deutschland 78 Menschen an den Flogen einer Essstörung.

Der Weg aus einer Essstörung ist lange und beschwerlich. Oft liegt die Ursache Jahre zurück und as dauert viele Monate, bis Traumata aufgearbeitet sind und Betroffene so viel Selbstwertgefühl entwickeln, dass sie sich nicht über ihre Figur identifizieren. Als kompetente Anlaufstellen erweisen sich Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie. In größeren Städten gibt es auch Zentren für Essstörungen mit vielfältigen Angeboten. Parallel zu einer Psychotherapie muss auch eine umfangreiche medizinische Diagnostik und Begleitung erfolgen. Immerhin führen Essstörungen zu Veränderungen auf körperlicher Ebene. Bei Magersüchtigen bleibt zum Beispiel die Menstruation aus, darüber hinaus leiden sie unter andrem an Haarausfall und Muskelschwäche. Genau darin liegt auch die große Gefahr dieser Erkrankung: bei chronischem Verlauf ist Tod durch plötzliches Herzversagen möglich. Bei Bulimie ist oft der Elektrolythaushalt gestört, durch das ständige Erbrechen werden außerdem die Zähne geschädigt. Auch Nierenschäden, Osteoporose oder Schädigungen des Magen-Darmtrakts zählen zu den Spätfolgen.

Fotonachweis: Diät Barbie – Laura Lewis Barbie’s Diet I – CC BY 2.0

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